Samstag, 2. Juni 2012

Die Geißel der Menschheit

Meine Mutter und ich waren im Urlaub. Einen Tag machten wir einen Ausflug zu Fuß, um ein kleines, malerisches Dorf und im Anschluss eine kleine Badebucht zu besuchen. Wir danken an dieser Stelle Frau K. aus F. für den Tipp.
Am Nachmittag war ich mit einer Freundin, Frau P. aus UER, in einer anderen Ortschaft  zum Kaffee bei Frau K. aus SP verabredet. Zu diesem Zweck hatte ich ausnahmsweise mein Handy dabei. Im Urlaub lasse ich sonst mein Handy im Hotel und bin für meine Mitarbeiter und Mails nur morgens und abends erreichbar. Soll ja Urlaub sein und nicht Arbeit bei Sonnenschein am Meer. Kommt ja auch nur Sand zwischen die Blackberry-Tasten.
Meine Mutter und ich erreichen also nach einstündigem Fußmarsch endlich die fast einsame, herrliche Badebucht.
Klares, grünes Wasser, Stille, nur wenige Menschen, Kieselsteine statt Sandstrand am Ufer aber eine Holzbank, auf die meine Mutter erleichtert zusteuert. An Land liegen idyllisch einige bunte Fischer-Ruderboote.
Und schon kommt eine SMS wg. meiner Nachmittags-Verabredung. Unwillig beginne ich eine Antwort in mein Handy zu tippen, da man mit Frau P. leider, was weiss ich warum, nicht  telefonieren kann. Unsere Hintern schweben noch über der Bank, da steuerte ein rüstiger, ca. 70 jähriger Mann in klassischem Touristenoutfit (kurze Hose, buntes Hemd, Basecap) auf uns zu.
 "Moin!....Die Geißel der Menschheit!"
???
Mein Gehirn schlägt vor: Die Zeugen Jehovas? Aber nein:
Der Herr baut sich vor uns auf: "Handys sind die Geißel der Menschheit. Dieses dauernde SMS schreiben. Man sollte im Urlaub sein Handy nicht mitnehmen."
Ich: "Aber nicht, wenn ich im Ausland verabredet bin."
Muttern: " Aber nicht, wenn man Asthma hat."
Der Herr lässt sich nicht beirren: "Wir sind ja erst seit heute hier. Aber unser Sohn hat heute Hochzeitstag, da haben wir das Handy kurz mal angemacht und ihn angerufen. Aber dann haben wir es danach gleich wieder ausgeschaltet und im Tresor gelassen. Man will ja im Urlaub seine Ruhe haben und sich nicht von einem Handy tyrannisieren lassen."
Und wer rettet meine Ruhe vor tyrannischen, kontaktfreudigen alten Männern an einer einsamen Bucht?
Ungefragt setzte er sich neben mich auf die Bank, um mir weiter seine Predigt über die Tyrannei der Handys zu halten. Meine Mutter beginnt derweil  an meiner anderen Seite, sich auf der Bank  häuslich einzurichten und sich ihre Hose auszuziehen um Ihren Strandtag zu beginnen.
Ich versuche meine SMS zu beenden.
"Meine Frau hat mir ja auch ein Handy geschenkt, weil ich immer mit dem Boot draußen bin, wissen Sie, wir sind ja aus Norddeutschland. Ich nehme es auch immer mit raus, aber ich benutze das Handy trotzdem nicht. Ich will mich da ja erholen."
Ich schlage gedanklich die Hände über dem Kopf zusammen und sorge mich um meine Erholung.
"Entschuldigen Sie bitte, aber ich habe ein Mobilfunkgeschäft. Was Sie sagen, ist sicherlich alles korrekt, aber ich hoffe Sie haben Verständnis dafür, dass ich mich in meiner Freizeit nicht über dieses Thema unterhalten möchte."
Meine Mutter spannt ihren Regenschirm als Sonnenschutz auf und der Herr beugt sich stattdessen zu  meiner Mutter, (Ich sitze, wie gesagt in der Mitte) und wechselt ungerührt das Thema "Wir wohnen ja dort wo andere Urlaub machen und viel Geld dafür bezahlen."...
"Wo ist eigentlich ihre Frau?" frage ich ihn.
"Ach die sammelt da hinten Steine, das macht sie gerne. Hier werden nämlich blaue Steine angeschwemmt. Deswegen kommen hier auch extra Geologen her. Eine Geologin, die hier wohnt, hat das meiner Frau erzählt. Die Steine werden wie Bernstein an der Ostsee angeschwemmt. Und die Geologin kommt deshalb jeden Tag hierher."
"Und was sind das für Steine?"
Das weiß sie auch nicht.
Aha. Ich ziehe mich nun auch aus, um meinen Kopf lieber unter Wasser zu stecken und schnorcheln zu gehen. Vielen Dank an dieser Stelle an Frau A. aus HW für das Schnorchelequipment.
Grußlos und ohne uns eines Blickes zu würdigen erscheint, missmutig, seine Frau.
"Deine Füße sind schon ganz rot."
"Kann nicht sein", erwidert ihr Mann "ich hab sie ja eingecremt".
In der Hand hält sie tatsächlich zwei Steine, die weiss und bemerkenswert Lapislazuli-blau sind.
Ich mache mich auf die Suche am Strand und im Wasser. Und lasse meine Mutter mit der Plaudertasche alleine.
Tatsächlich finde ich wenig später, etwas abseits, auch zwei Steine mit etwas Türkis!!
Auf dem Weg zu meiner Mutter, um ihr meinen Fund zu zeigen, komme ich an einem der Fischerboote vorbei, die dort an Land liegen. Neben dem Boot liegen so viele türkise Steine, dass ich sie gar nicht alle hätte mit zwei Händen tragen können. Bei näherer Betrachtung haben die Steine dieselbe Farbe, wie das Holzboot. Und wenn man die Steine umdreht, sind sie nur von oben türkis, von unten sind sie hellgrau wie alle anderen...
Ich vermute es war nicht ein einziger Geologe wegen dieser angesprühten Steine in der Bucht. Meine Mutter könnte jetzt an dieser Stelle noch einiges aus dem Leben unseres Bankgenossen und seiner perfekten Enkel erzählen. Aber keine Sorge, ich hab` nix verpasst, sie hat mir alles beim Abendbrot erzählt. Ich bin froh, dass sie ihm nicht unsere Handynummern gegeben hat.

Moin. Und da bin ich auch schon wieder in meinem Geißelgeschäft zurück.
Hallo, Ihr lieben Kunden!

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