Dieses Trauma teile ich offenbar mit vielen anderen Müttern und
Familienangehörigen. Es scheint aber bisher noch keine Betroffenenvertretung zu
geben.
Liebe Nichte,
Du wirst in
ein paar Tagen 4 Jahre alt.
Das rosa-pink-Schicksal Deiner Familie begann
schleichend, wurde erst belächelt, dann mit allen Mitteln bekämpft. Deine
Mutter hast Du zum Wahnsinn getrieben mit der ständigen Wiederholung: „Meine
Lieblingsfarbe ist PINK.“
Mit dem
dagegen setzen unserer Lieblingsfarben: Mama mag grün, die Tante mag am
liebsten blau und Papa mag auch was anderes, hatten wir keine Chance gegen Deine
rosa Welt, die sich ständig und im Wahnsinnstempo vergrößert. Seit ca. einem halben Jahr unterliegen wir Deiner Armee
aus einer Kavallerie Filly-Pferden, Barbies und Kampf-HelloKittys, angeführt von Prinzessin
Lillyfee… Sie sind auf dieser Welt einfach in der Überzahl und
reproduzieren sich ständig selbst.
Im Winter
zog ich auf dem Trödelmarkt aus einem Haufen Kinderkleidung ein Barbie-T-Shirt
und eine pinkfarbene Plüschjacke. Mitleid heischend sagte ich zu der Mutter
hinter dem Stand: „Ich habe eine rosa Nichte…“. Ich wollte ja auch nicht, dass
jemand denkt, ich hätte mein vermeintliches Kind pädagogisch nachlässig
erzogen. Sie winkte nur wissend ab und sagte: „ Hatten wir auch mal, ist aber
jetzt vorbei“. Und macht eine ausladende Handbewegung über Ihren rosa
Kinderspielzeug Stand. Hoffnung keimte in
mir auf! „Wie lange geht denn das so?“ – „ Bei uns ging es bis sie 8 Jahre alt wurde“….
Au weia,
noch viereinhalb Jahre!!! Das war also
erst der Anfang.
Kurz vor Weihnachten bekam ich in der
Spielzeugabteilung vom Kaufhof von einem jungen Mann eine Fachberatung für
Filly-Pferde. Ich brauchte eins mit Flügeln, die im dunklen leuchten. Ich war
überwältigt vom Angebot. Später konnte ich dann immer mitreden, wenn Erwachsene
sich über Filly-Pferde unterhielten.
Neulich kam
ich in Dein neues Zimmer und wurde von Pink erschlagen. Die Höllenkatze HelloKitty starrte mich übergroß von Deinem pinkfarbenen Bettzeug an und ich frage mich wie man darin ruhig schlafen kann.
Ein rosa Zeltschloss versuchte mich in sein Inneres zu locken und ein rosa
CD-Player säuselte mir süße Geschichten von Prinzessin LillyFee in´s Ohr. Du hast mich mit Deinem
pink Fotoapparat fotografiert, den Du von der Schnullerfee bekommen hast. Und
ich habe Angst, wenn ich mich zu lange in Deinem Zimmer aufhalte, dass es
abfärbt. Erste Anzeichen sehe ich an Deiner Mutter. Sie betont allerdings, die Farbe ihres
T-Shirts sei „Hibiskus“.
Ostern hast
Du erklärt, Du wünscht Dir zum Geburtstag eine Barbie und ein Barbie-Schloss.
Deine Mutter hat
sofort erwidert, Barbie ja. Schloss nein. Zu teuer (zu groß, zu rosa….).
Einen
Sonntag später fahre ich zufällig an einem Trödelladen-Schaufenster vorbei. Und
da steht es. Das Barbie-Schloss. Man hat ja inzwischen einen Blick für sowas.
Gestern vor
der Arbeit bin ich also ans Ende der Stadt gefahren. In der rosa Spielzeugabteilung des
voll gestopften SozialLadens stand ich mit der Verkäuferin (ca. 70 Jahre alt)
und ließ mich fachkundig über Barbieschlösser beraten. Sie versicherte mir, es
wäre nur das „kleine Schoss“. Ich glaube aber, heimlich war sie froh, wieder
Platz für 30 zukünftige, gebraucht FillyPferde zu haben, von denen sich eine 12 Jährige trennen wird.
Das Schloss
wurde minütlich billiger. 10€, 8€, 7€. Habe ich komisch geguckt? Wieder habe
ich mich damit entschuldigt eine rosa Nichte zu haben.
Für Deinen kleinen Bruder
konnte ich dort auch mit Hilfe der versierten Verkäuferin nix finden.
„Hab ick
och schon zu meene Freundin jesacht, für Jungs ham wa hier nüscht, allet rosa,
wat die hier abjebm“
Ich habe
ernsthaft überlegt nach meinem Einkauf erst
einmal nach Hause zu fahren, um das Schloss los zu werden. Obwohl meine
Mitarbeiterin schon auf mich wartete.
Aber ich war
tapfer. So bin ich also in gepflegter Businesskleidung mit hohen Schuhen,
Kleid, schickem Mantel und Handtasche mit öffentlichen Verkehrsmitteln vom Süden in den Norden der Stadt gefahren. Mit einem rosa Schloss in einer ollen, knittrigen Woolworth-Plastiktüte.
Meine Mitarbeiterin Frau G. aus N. war völlig unbeeindruckt von Deinem tollen, rosa Barbie-Schloss. Sie hat Ihren Barbiepuppen schon vor 7 Jahren die Haare abgeschnitten und eigene Kinder hat sie nicht.
Pink hört sie nur mit Ihren riesigen, schwarzen Kopfhörern auf Ihrem Handy...
Wenn Deine Nichte etwas größer ist, dann möchte sie hier mal Urlaub machen:
AntwortenLöschenhttp://www.puroland.co.jp/english/welcome.html
Das wird ihr bestimmt gefallen...
@Angehöriger: Prima,vielleicht erlaubt Dir deine beste Ehefrau dann ja doch sie dort hin zu begleiten.
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